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Artmann, H. C.: Den Horizont überschreiten

Portre of Artmann, H. C.

Den Horizont überschreiten (German)

Ein wald hinter einem wald, der vor einem
wald liegt; wer geht in ihm herum, wer tritt
in ihm auf pilze, beeren?

Obgleich man viele dinge über diesen wald
erzählt, man weiß von ihnen nie, ob sie stim-
men, ob sie erfunden sind.

Wenn der wald hier schweigt, hört man die 
glocken, aber der wald liegt sehr einsam,
keine dörfer, keine kirchspiele oder städte
weit und breit; nur ein teich darin, sehr dun-
kelhäutig, sehr unergründlich.

Du weißt nicht, wovon du redest, du bist
allein, du ertappst dich unversehens beim
sprechen: worte fern wie glocken, fern wie
die tiefe des teiches, und ein eichhorn, das dir
jeglichen vokal von den lippen stiehlt; was
bleibt, ist ein dürres gerüst gleich der abge-
nadelten fichte.

Der jagdruf des zobels, der hier nicht haust,
läßt nester erzittern: eine excellente mahlzeit
wäre es, aus weißem zerbrechlichen porzellan
zu speisen.

Man sagt, es sei ein wunderbares vergnügen,
durch die länder zu reisen, die wiesen zu be-
gehen, die wälder zu durchqueren; die wald-
rose zählt zu den schönsten, ist die trösterin
verliebter botaniker, ist eine windrose, die 
ihre zarten blättlein in alle richtungen ver-
streut.

Über den wald ziehen verschiedene wolken
in ständig sich ändernden bildern: der delfin,
der jaguar, das geweih des hirsches, der zer-
fallende aschenkrug, die fast menschliche
figur...

Der geschmack des waldes ist an gewissen
stellen wie der geruch der besonnten him-
beere, an anderen stellen wie der schatten
beregneter pilze; du weißt nicht, wovon du
redest, aber du erkennst den geruch, den ge-
schmack und die schatten deiner worte.

Der mörderische strahl, der pfeil, im dichten
wald geht er nur sieben bäume tief, dann
copuliert er mit der rinde des achten – ein
paradiesisches irrsal dem flüchtenden.

Du bist der unreinen lust der jagd nicht ver-
bunden, viele sonnen hast du gesehen, wie
gute pfeile trafen ihre strahlen, drangen ein
mit feiner, wohltuender wärme; auf dem
teich schwimmen auch die weißen blüten, es
nagt sie kein wurm, keine schnecke.

Deine hand wird nicht müd, über laubiges zu
streichen, über den saftigen farn, über moos
und die tauigen blätter der coniferen – eine gol-
dene leiter baut dir die sonne an die brust, ein
geschwister des regenbogens...



Uploaded byP. T.
Source of the quotationhttp://www.lyrikline.org/de

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