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Artmann, H. C.: gedichte von der wollust des dichtens in worte gefaßt

Portre of Artmann, H. C.

gedichte von der wollust des dichtens in worte gefaßt (German)

cagliari:

die ameise deiner adern
greift meine sehnsüchte
wenn ich das beschreibe
was ein mittag verschweigt:
singt dich selbst caruso
meine zeile wird besser
im stein deines gesichts
die natur ist sinnloser
ein sehr blaues wasser
setzt dir bögen cagliari

carnac:

viele verbrannte lebensläufe
druiden der aschenbecher euch

ich aber ach bin noch student
sperling der stadt der türme

auf einem vogelbein hocke ich
ohne audiovisuelle erfahrung

durch den rockärmel der magie
spähe ich nach uralten echos

irgendwo:

frag mich um meinen namen
ich will ihn dir beichten
kein ort ist mir ähnlich:
bin honig unter kanditen
bin vergoldeter zuckerhut
eigentlich bin ich biene
wabengebilde immenhäusle
eigentlich bin ich brief
adresse postporto stempel
ich antworte dir wie noah
ein rebstock ein zauberer
sieh ich verändere mich:
caruso besingt mich als 
colibri turteltaube aar
robinson schilt mich als
natter skarabäus mikrobe
bin eiland im weltenall
bin kraft echter aktien
des altai nashorn das gnu
des ural der gobi makaki
kein spiegel wirft mich
kein film zeigt mich auf
ich bin der ort nirgendwo

jerusalem:

du rotweinspur auf
einem liebesbrief
jerusalem
jahwe behüte
hast keine lackstiefel nötig
um allahs zehen
noch jesu überbein
zu verbergen   sag an:
wie gibst du dich
in deinem abendlicht
nachdem du den tag
mit mandelseifen
weitgehend entfernt hast?
jerusalem
du rotweinspur auf
einem liebesbrief
deine taxis und busse
sind klarerweise 
mit dem namen gottes
dreier weltreligionen
durchnumeriert
wer würde dich 
der dich nie gesehen 
nicht doch vermissen und
deine winkel gäßchen gassen
über dem stadtplan
nachweinen?

lisdoonvarna:

die oboe ist der weißdorn
unter den instrumenten
die menschliche poesie aber
der meister der tagebücher
wenn der westwind streift
im sommer der gräser geäst
weht er musik mir her 
darauf die schrift steht
beobachteter handflächen

taprobane:

wenn die kindheit fertig wird
nimmt sie die tischtücher
und faltet sie nett zusammen:
maritime karten für kommende
fort-reisen in meinen eigenen
augen die nicht anderer leute
fixsterne oder fenster sind
sondern flugbares im wind 
bewegliches zwischen
den beiden starren polen
die mich einfassen wie ein 
links und rechts

zielort:

aus einem völligen durcheinander
erscheint mir dein sauberes bild:
ovales blättchen oder milchobjekt

ein mittelpunkt    eine pille wohl
ein augeninneres könnte es sein
wie ich es eben drehe    es beruht

noch ehe berührung zustande kommt
flimmert bereits die ankunftszeit
meines betastetseins    in ziffern

in der tiefe seines bauches
nach wörteralgen taucht der dichter
am weißen strand des papieres
spreitet er sie zum trocknen aus
es wird gebeten das seegras nicht 
vor seiner zeit zu wenden     danke



Uploaded byP. T.
Source of the quotationhttp://www.lyrikline.org/de

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